Freitag, 22. Juli 2005

Techtalk, Mixing und Instrumentenbau

Historische Elektronische Instrumente

Vor etwa zwei Wochen hatten DyanGo und ich die Gelegenheit wahrgenommen, in der Uni auf ein kleines Konzert mit historischen elektronischen Instrumenten zu gehen. Ein Musik-Dozent, dessen Namen ich zwar wieder vergessen habe, dessen Erscheinung mir aber aufgrund der ungewöhnlichen Brille und Kleidung lange in Erinnerung bleiben wird, führte dabei eine Reihe von Theremins und Prototypen für einen Nachbau eines Mixturtrautoniums (zus. Wikipedia-Link) vor indem er auf ersteren einige "klassische" Kompositionen sogar mit Begleitung am Flügel vorspielte und dann später sogar eigene deutlich experimentellere Stücke spielte.

Theremine klingen ein wenig, wie elektronische singende Sägen und sind tierisch schwer, weil völlig ohne Berührung, zu spielen, wie Jan und ich später auch noch ausprobieren konnten. Was ich sehr schön fand, war, daß die kleine Audienz von nicht viel mehr als 20 Leuten im Nachhinein aufgefordert wurden die drei angeschlossenen Theremins (Theremine?) und das Mixturtrautonium-Experiment auszuprobieren und daß der Dozent zunächst von sich aus eine Menge zur Geschichte, Hintergrund, der Technik und Spielweise erzählt hat und im Nachhinein eine sehr spannende Diskussion ermöglichte, in der mir viele weitere Musik- und Akustiktheoretische Dinge klar wurden. Die Veranstaltung began abends um sieben und erst um kurz vor zehn verließen wir den Saal.
Schaut Euch unbedingt die Links an, um mehr über die Funktionsweise der Instrumente zu erfahren, sonst schreibe ich mir hier die Finger wund.

Fakt ist wohl, daß es aufgrund des Schwierigkeitsgrads nur sehr wenige gute Thereministen gibt und nahezu keinen Mixturtrautoniumspieler, weil es nicht viele Exemplare des Instruments gibt. Der Herr Oskar Sala, der letzteres erfunden hat, hütete angeblich seine "Geheimnisse" gut und veröffentlichte nur selten Artikel über Teilbereiche der Technik und der Spielweise. Wußtet Ihr, daß in Hitchkocks "Die Vögel" nicht eine echte Vogelstimme zu hören ist? Hitchcock ist mit dem Filmmaterial extra nach Berlin zu Oskar Sala geflogen, der auf seinem Trautonium die Geräusche generiert hat. Elektronische Instrumente waren zu der Zeit extrem aufwändige Festinstallationen. Alleine die Stromversorgung muß wohl der Hammer gewesen sein, bei der Menge an Röhren.

Der Nachbau-Prototyp bestand aus einer Reihe von teils auch bereits historischen analogen Mixer-, Generatoren-, Hüllkurven- und Filter- schaltungen, die in einem Holz-Rack hinten oberhalb des "Spielbretts" (so nenne ich das jetzt mal) angebracht und mittels wuchtiger Drehknöpfe, Schalter und Kabel gesteuert werden können. Das "Spielbrett" bestand aus einer Metallplatte über der einigermaßen Straff ein spezielles Widerstandsband gespannt war. Angeblich mußte dafür erst eine eigene Maschine gebaut werden, die auf einem Nylon-Seil gleichmäßig ganz fein nebeneinander Konstantan-Draht und Isolations-Fäden aufwickeln konnte. Man spielt, indem man das Band auf die Metallplatte hinunterdrückt, wodurch ein Stromkreis geschlossen wird. Die Druckposition legt also einen Widerstand fest, über den die Tonhöhe des Signals geregelt wird. Das "Spielbrett" ist aber beweglich gelagert, so daß es je nach Andruck eine Lichtschranke weniger oder stärker schließt, um über den entsthenden Steuerstrom die Lautstärke zu Regeln. Die Klangfarbe, wird additiv über Untertöne (i. Ggs. z. Obertönen) bestimmt, was zu ganz merkwürdigen, irgendwie doch harmonischen Disharmonien führt. Auch wenn das Ding noch sehr provisorisch war, wie der Dozent mehrfach betonte, ich fand den Sound, den es bei meinem Herumgedamel produzierte sehr fett. Auf einem anderen Tisch stand das Gerät an dem er jetzt bastelt, das einmal ein richtiges Trautonium werden soll und auf dem er am 5. November in der Oetkerhalle in Bielefeld den Stummfilm "Metropolis" begleiten will. Ich bin überzeugt, daß das geil wird und werde da auf alle Fälle hingehen. Hoffentlich funktionieren dann meine Maschinenfest gestörten Ohren wieder richtig.

Nochmal zum Theremin. Der Mann behauptete zwar, er würde niemals, sein Spiel auf CD pressen, weil er sich für nicht gut genug hält. Er meinte, Theremin könne man nicht virtuos spielen, fügte dann hinzu, daß es vielleicht irgendein fanatischer Japaner schaffen könnte und abgesehen davon nur Clara Rockmore (ihre Theremin Spiel-Anleitung ) jemals wirklich gut war. Dennoch sage ich, daß da vermutlich ein wenig krankhafter Perfektionismus und Pedanterie im Spiel war, denn was der da vorgeführt hat, war schon sehr beeindruckend und ausdrucksstark. Nun habe ich nicht den Vergleich, was andere Künstler so drauf haben, aber auch Jean Michel Jarre hat das Ding sehr schön benutzt.

Zur Schwierigkeit: Die Tonhöhe und Lautstärke hängen exponentiell von der Nähe aller elektromagnetisch aktiven Objekte zu den zwei Antennen ab. Je näher man mit der Hand an die Antennen geht, desto empfindlich reagiert das Ding auf kleine Bewegungen. Wenn jemand in zwei Metern Entfernung vorbeigeht, ist das deutlich zu hören. Wie der Spieler selbst steht ist auch von entscheidender Bedeutung. Allein um einen Ton genau zu halten, müßte man absolut still stehen und natürlcih ein perfektes Gehör für Töne haben, mal ganz abgesehen von 100% zitterfreien Händen. Deswegen halten viele Töne mit Tremolo, weil dann die Abweichung nicht so auffällt ist. Aber auch ein Tremolo gleichmäßig zu spielen ist sehr schwer. Der Dozent machte einen Witz über Opern-Sängerinnen, die ja auch nur ständig diese anhaltenden Tremolos sängen, weil sie sowieso nicht in der Lage wären, den Ton zu treffen.

Die Instrumente sahen jedenfalls sehr cool aus. Eins war in einem Holzkasten mit nicht sehr TÜV-sicher aber optisch hinreißenden außen angebauten 380V-Röhren. Ein anderes war offensichtilich Transistor betrieben und bestand aus drei durchsichtigen Kunststoffkugeln auf einem Stativ, in denen man die Schaltungen bewundern konnte. In der Mittleren glomm irgendein Bauteil blassblauviolett... Sehr spacig. Beides Eigenbau, wenn ich das richtig verstanden hatte. Es waren noch zwei andere aufgebaut. Das eine stand hinten und war nicht in Betrieb, sah sehr schlicht aus, offenbar ein günstiges Moog-Set. Das andere erinnerte mich vom Look eher an diese Infrarot-Midi-Controller, es waren aber zwei Metallringe an gegenüberliegenden Seiten angebracht und auf Frage nach der Ähnlichkeit bekam ich die antwort, daß es dennoch ein echtes Theremin sei.

Wie dem auch sei, ich habe an dem Abend viel gelernt und meine Neugier auf mehr ist geweckt worden. Vielleicht hat ja noch jemand von Lust, mich zu "Metropolis" zu begleiten.

Schönes Wochendende!
PaNik - 27. Jul, 13:54

Theremin

Wollt nur mal anmerken, dass ein Bauplan für so ein Dingen seit Jahren bei mit vor sich hinstaubt. Vielleicht sollte ich, wenn das Blech-2-XLR beendet ist, mal da rumlötenderweise was probieren....
Wound - 23. Sep, 23:49

Nachtrag: Rolf Sudmann

Bei dem Thereministen handelte es sich um Rolf Sudmann, dessen Homepage zwar von deutlich mangelhaftem Web-Design-Verständnis zeugt, aber dafür um so besser seine Instrumente und Projekte beleuchtet. Unter anderem könnt Ihr Euch einige der Theremine und das im Bau befindliche Mixtur-Trautonium, sowie einige ungewöhnlichen Werkzeuge anschauen.

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