Ich hab mal wieder was nettes für die Sinne gefunden. Eine Ecke der digitalen Kreativität, die schon seit den 80er Jahren immer wieder unglaubliche Audio-/Video-Konstruktionen gezaubtert hat, ist die Demo-Szene.

Für den, der damit noch nie in Berührung gekommen ist, will ich das mal eben auf den Punkt bringen. Stellt Euch vor, ein paar drogenabhängige ;-) Programmierer treten miteinander in den Wettstreit, wer aus einem Computer die abgefahreneren, flüssigeren Animationen kombiniert mit dem besseren Sound und am wenigsten Speicherverbrauch herausquetschen kann, und das in Echtzeit. Die Produktionen sind also keine Filme in üblichen Formaten wie AVI, MPEG, Quicktime und Konsorten, sondern spezielle Programme, die jeden Sound und jedes Bild dann komponieren, wenn es an der Zeit ist, aus Lautsprecher und Bilschirm zu springen. Schnellere Computer liefern also auch flüssigere Animationen (Ziel sind oft 60 Bilder pro Sekunde und mehr) und Bildauflösungen, die von nicht HDTV-Fernsehern gar nicht wiedergegenem werden können. Ein Lustvolles Geschäft, kann ich Euch sagen, denn die Ergebnisse sind zum Teil hochgradig beeindruckend und erlaubt ist, was gefällt.

Das geht von vollkommen abstrakten fließenden oder flackernden Bildkompositionen in 2D und 3D mit mehr oder weniger technoider Musik zu richtigen Kurzfilmen oder audivisuellen Kunstwerken mit Botschaft. Die Hauptmotivation bleibt es dennoch, aus engen technischen Einschränkungen das meiste rauszuholen. Da sich die Leistungsfähigkeit der Computer gerade was Sound und Grafik angeht in den letzten 10-15 Jahren jedoch rasant entwickelt hat, sind einige der aktuellen Produktionen absolute Leckerbissen.

Auf Wettbewerben stellen sich Demogroups einander dann nach technischen, dramaturgischen und ästhetischen Gesichtspunkten in diversen Kategorien, zum Beispiel 4kB- oder 64kB-Intro, Soundtrack, Effekte oder Demo. Ich denke, daß aus den Ideen so mancher früher Demogroup einiges an dem, was man heute an optischer Gestaltung von Fernsehprogrammen und Musikvideos bewundern kann, abgeleitet wurde und immer noch wird.

Ich habe im Netz auf der (größtenteils vergeblichen) Suche nach guten Webradios die folgende Seite gefunden: Demoscene.tv. Schnelle Internetanbindung vorausgesetzt, kann man sich über einen 24h-Video-Live-Stream (z.B. mit Winamp) laufend die besten Demos und Renderanimationen ansehen. Außerdem werden die Demos auch frei zum Download angeboten. Gerade bei den Intros ist das sehr empfehlenswert für Leute, die nur mit Modem unterwegs sind (z.T. mehrere Minuten lang bei nur 64kB Größe) und die Qualität ist sowieso nur dann, wie's sein soll.

Empfehlungen:

• 64k Intro: Che Guevara. Sehr lustig und beeindruckend, was in 64kB so alles reinpasst
• Perfect Love von lkcc. Geiles Design, nette Musik
• Ballet Dancer von MFX. Sehr düster und abstrakt, cooler harter Sound.

Diese Beispiele decken die Bandbreite keinesfalls ab und sind für ihre Sparten, obwohl wirklich genial, vielleicht nicht mal die Besten. Auf jeden Fall empfiehlt es sich deshalb, selber ein bißchen zu stöbern. Es ist für jeden Geschmack was zu finden. Ihr könnt dann ja ein paar Tips in die Kommentare hängen.

Ob auf dem Niveau und ob notwendigerweise auf Basis von Echtzeitgrafik, weiß ich nicht, aber ich fände es sehr spannend, mich auf die eine oder andere Weise mal an eine AV-Skulptur zu begeben. Den Designern und Fricklern unter uns, muß da doch das Herz bis zum Halse klopfen, oder wie seh ich das... ?

Eine gute Zeit!

Euer Wound